ZAMBIA HEADCOACH HÄUPTLE INTERVIEW

Die Bernerin Nora Häuptle ist seit kurzem sambischer National­coach. Nach sechs Wochen in Afrika sei sie schon ziemlich erschöpft, sagt sie bei einem Treffen im Schweizer Homeoffice.

Nora Häuptle, Trainerin der Sambischen Frauen-Fussballnationalmannschaft, steht am 11. März 2025 in Bern am Ufer eines Flusses. Foto von Nicole Philipp/Tamedia AG.
In Bern erholt sich Nora Häuptle (41) vom intensiven Berufsleben in Afrika. Sie verbringt rund ein Drittel ihrer Zeit hier (Foto: Nicole Philipp).

Nora Häuptle ist in Afrika ein Star, hierzulande kennen sie nur wenige, obwohl sie eine der ersten Schweizer Profi-Fussballerinnnen war. Sie spielte unter anderem bei YB und beim FC Thun. Heute reist die 41-Jährige an 120 Tagen im Jahr um den Globus, um das Nationalteam von Sambia zu coachen. Davor tat sie das Gleiche als Nationaltrainerin von Ghana. Gerade weilt sie ein paar Tage in ihrer Heimat Bern.

Frau Häuptle, in Ghana waren Sie die erste ausländische Trainerin. Das Gleiche gilt jetzt in Sambia. Gibt es da auch kritische Stimmen?

Ja, die gibt es immer. Ich versuche einfach, meine Kritiker zu überzeugen und für klare Werte einzustehen. Am Ende ist die Formel ganz einfach: Du wirst an deinem Erfolg gemessen. Und im Fussball heisst das, du musst Spiele gewinnen. Ich fokussiere aber nicht primär auf das Resultat, sondern versuche, die Leistung mit dem Team weiterzuentwickeln.

Schreien Sie auch mal vom Spielrand aus?

(lacht) Sie müssen mal vorbeikommen. Mit Ghana hatten wir am Qualispiel für die Olympischen Spiele in Sambia 30’000 Zuschauende. In Sambia sind die Frauen erfolgreicher als die Männer. Bei den Spielen ist jeweils die Hölle los. Ich kann an der Linie nicht coachen. Man versteht kein Wort. Es sind so viele Emotionen in der Luft. Deshalb versuche ich, selbst die Balance zu halten und Entscheidungen zu treffen, die nicht von meinen Emotionen geleitet sind.

Sie müssen aber auch mal einer Spielerin sagen: Du bist dieses Jahr nicht Teil des Nationalteams. Wie ist das für Sie?

Immer schwierig. Ich rede aber nicht lange um den heissen Brei herum, das macht die Situation in meinen Augen nicht besser. Ich versuche, eine gute Beziehung und Kommunikation zu den Spielerinnen zu haben, letzten Endes befinden wir uns aber in einem Arbeitsverhältnis. Entscheidend ist der Erfolg des Teams.

Eine Frau im Anzug steht energisch an der Seitenlinie eines vollen Fussballstadions, umgeben von Trainern und Spielern auf der Bank.
Nora Häuptle coacht einen Match des Frauen-Teams von Sambia. «Bei den Spielen ist jeweils die Hölle los», sagt sie (Foto: FAZ).

Mit Ihnen hat sich das ghanaische Nationalteam der Frauen seit langem wieder für den Africa-Cup qualifiziert. Wieso haben Sie auf Anfang dieses Jahres nach Sambia gewechselt?

Ich habe mit Ghana eine erfolgreiche Reise gemacht. Aber wenn der Erfolg da ist, muss man bereits die nächsten Schritte planen. Gewisse Kompromisse kann ich nicht eingehen und dann ist es konsequent loszulassen, auch wenn einem die Menschen am Herzen liegen.

Sie sind in Ghana ja quasi ein Star.

Ja, total surreal. Ich habe natürlich einen grossen Wiedererkennungswert, viele wollten Fotos machen. Die Ghanaer sind verrückt nach Fussball. Sie bewältigen häufig einen harten Alltag, der Fussball ist ihr Ventil. Als die Männer den Afrika-Cup verpasst haben, gingen die Menschen aus Protest auf die Strasse. Das wäre hier undenkbar, dass sich 30’000 Leute auf dem Bundesplatz versammeln, weil Granit Xhaka und die Mannschaft nicht gut gespielt haben.

Wird Ihnen der Rummel um Ihre Person auch mal zu viel?

Ich nehme mir immer gerne kurz Zeit, um jemandem eine Freude zu machen. Am Ende gehört der Fussball dem Volk. Aber ja, ich bin auch nicht unglücklich, wenn ich zurück nach Bern komme und es niemanden interessiert, wer ich bin.

«Wandern, Filme schauen, Zeitung lesen – diese einfachen Sachen tun mir gut.»

Wie war der Empfang in Sambia?

Sehr herzlich. Sambia hat eine warme Kultur. Die Menschen sind humorvoll und auf eine positive Art kritisch. Für mich war es wichtig, einen Ort zu finden, in den ich mit meinem Charakter hineinpasse. In Sambia sind die Menschen sehr geordnet und zuverlässig. Und ich arbeite gerne mit offenen Leuten zusammen.

Bern und Sambia: Es sind kontrastreiche Welten.

Das Mattequartier, wo ich wohne, ist ein bisschen wie das Dorf Horn am Bodensee, in dem ich aufgewachsen bin: Man kennt sich. Ich brauche den Kontrast. Nach sechs Wochen in Sambia bin ich schon ziemlich erschöpft. Ich gehe von hier aus in die Natur wandern, Filme schauen in der Cinématte, Zeitung lesen im Adrianos – diese einfachen Sachen tun mir gut. Etwa ein Drittel der Zeit verbringe ich im Homeoffice bei meiner Familie in der Schweiz.

Die Reiserei klingt anstrengend. Wäre ein Angebot des Schweizer Nationalteams der Frauen nicht verlockend?

Ich glaube, du musst als Trainerin voll im Hier und Jetzt präsent sein und vollen Einsatz geben. Und wenn der bröckelt, dann ist die Zeit reif zu gehen. Jetzt habe ich in Sambia einen Dreijahresvertrag unterschrieben und darf mit den besten Spielerinnen der Welt arbeiten – ich frage mich momentan daher nicht, ob ich woanders sein will.

Nora Häuptle, Trainerin der Sambischen Frauen-Fussballnationalmannschaft, sitzt auf einem Stuhl in der Cinématte, Bern, am 11. März 2025.
Nora Häuptle erzählt in der Cinématte in Bern von ihren Erfahrungen im Fussball der Frauen (Foto: Nicole Philipp).

Sie haben in Sambia mit Barbra Banda und Racheal Kundananji in ihrem Team zwei der weltweit teuersten Spielerinnen. Ist es überhaupt erstrebenswert, dass im Fussball Transfersummen in Millionenhöhe bezahlt werden?

Diese Frage taucht immer wieder auf. Grundsätzlich diktiert der Markt, was bezahlt wird. Bei den Frauen wächst er derzeit exponenziell. Es kommt in erster Linie darauf an, wie die Ligen über TV-Rechte Gelder generieren können. Ob es adäquat ist, im Sport Millionen oder gar Milliarden verdienen zu können, das ist fast schon eine ethische Frage. Spannend finde ich Lohnobergrenzen, damit beispielsweise Vereine mit geringerem Budget und guter Ausbildung wettbewerbsfähig bleiben können.

Sie haben früher selbst professionell Fussball gespielt – unter anderem bei YB. Konnten Sie davon leben?

Schwerlich. Ich will diese Zeit nicht missen, weil sie eine gute Lebensschule war. Aber monetär reich geworden bin ich nicht. Damals erhielten wir ein bisschen Spesengeld, mit Nebenjobs und der Unterstützung meiner Eltern schaffte ich es, mein Studium zu finanzieren. In der Nati gab es dann Taggeld, das ich meistens beim Jassen wieder verspielte.

Als Mann wäre es für Sie finanziell einfacher gewesen. Ärgert Sie das?

Nein, ich bin nicht der neidische Typ. Gerade das Leben in Afrika hat mir gezeigt, was für ein Privileg es ist, dass ich stets tun konnte, was mir Spass machte. Es ist nicht meine Maxime, im Leben Millionen zu verdienen.

«Da Frauen deutlich weniger verdienen, ist Geld für sie seltener Anreiz für eine Karriere.»

Aber ein fairer Lohn, dank dem sich Frauen aufs Trainieren konzentrieren könnten, wäre doch begrüssenswert.

Die Entwicklung geht sicher in die richtige Richtung. Aber mich hätte es wahrscheinlich gar nicht glücklich gemacht, nur Profifussballerin zu sein. Klar, manchmal war ich am Limit – am Morgen zwei Stunden Schwimmen fürs Sportstudium, am Abend zwei Stunden Training, dazwischen zwei Jobs. Doch ich habe dabei viel gelernt und bin belastbar geworden.

Wie hoch sind eigentlich die Löhne der Fussballerinnen in Sambia?

Die Spielerinnen der Liga können im Clubhaus wohnen, und sie erhalten drei Mahlzeiten am Tag. Das ist für viele schon viel. Wer richtig Geld verdienen will, muss ins Ausland gehen.

Zwei Fussballtrainer, einer mit zwei Bällen, besprechen etwas auf einem Spielfeld, während im Hintergrund Spieler in gelb-roten Trikots trainieren.
Nora Häuptle beim Training mit dem ghanaischen Nationalteam, ihrer letzten Station vor dem Wechsel nach Sambia (Foto: GFA Communications).

Als Argument für die tieferen Löhne im Fussball der Frauen wird gerne ins Feld geführt, dass er weniger attraktiv sei als das Spiel der Männer. Was sagen Sie dazu?

Die Frage ist, was einen subjektiv interessiert: Ist das physische Niveau entscheidend oder sind es die Werte, für die ein Team einsteht? Manche schauen auch bewusst den Frauen zu, weil sie gewisse Dinge bei den Männern stören.

Welche Dinge? Schwalben?

Ich weiss, ihr Journalistinnen und Journalisten sprecht gerne über Stereotype. Aber das sind oft Vereinfachungen, die nicht der Realität entsprechen.

Okay, ganz ohne Stereotype, was kann am Fussball der Frauen attraktiver sein?

Da Frauen deutlich weniger verdienen, ist das Geld für sie seltener der Anreiz für eine Karriere. Andere Werte treiben sie an: der Wille, für das Team immer das Beste zu geben, die Bereitschaft zu leiden. Die Zuschauenden können sich dadurch oft besser mit ihnen identifizieren als mit einem millionenschweren Profi, der mit dem Privatflugzeug zum Match anreist. Abgesehen davon, stehen Frauen den Männern taktisch kaum nach. Ich finde, man muss generell weniger vergleichen, sondern vielmehr die verschiedenen Qualitäten wertschätzen.

Wird die EM in der Schweiz die Wahrnehmung des Fussballs der Frauen verändern?

Sicher. Aber Veränderung passiert nie von heute auf morgen, sie muss organisch wachsen. Eine EM kann für mehr Sichtbarkeit und Diskurs sorgen.

Die Berner SP-Nationalrätin Tamara Funiciello sagte, sie werde bei der Frauen-EM «Lesben beim Sport» zusehen. Stört Sie das?

Solche Aussagen treffen mich nicht. Abgesehen davon, sind sie rein objektiv falsch. Fussballerinnen haben unterschiedlichste sexuelle Orientierungen, genauso wie die Normalbevölkerung. Ich glaube, die Aussage war wohl eine reine Provokation, die dem Dialog meines Erachtens so nicht hilft.

Sie werden an der EM nicht dabei sein, weil Sie dann ihr Team am Afrika-Cup coachen. Tut das weh?

Ich will ehrlich sein: Ja und Nein. Es ist vielleicht besser, dass ich gar nicht involviert bin, als wenn ich es nur halb wäre. Und ich freue mich extrem auf den Afrika-Cup. Mein Fokus ist ganz dort.

Berner Zeitung/MC/SK,15.03.2025