SAND-TRAINERIN NORA HÄUPTLE: “UNSER TEAM WÄCHST ZUSAMMEN”

Der SC Sand steckt mitten im Abstiegskampf der FLYERALARM Frauen-Bundesliga. Der Tabellenvorletzte tritt am heutigen Sonntag (ab 14 Uhr) bei der SGS Essen an. SC-Trainerin Nora Häuptle (37) erklärt im DFB.de-Interview, warum sie weiterhin fest davon überzeugt ist, den Klassenverbleib zu schaffen – obwohl die Ausgangslage kompliziert ist.

Nora Häuptle zeigt die Perspektive.

DFB.de: Frau Häuptle, wie kompliziert wird für Sie und den SC Sand die zweite Saisonhälfte?

Nora Häuptle: Wir wussten schon vor der Saison, dass es schwierig wird für uns. In erster Linie freuen wir uns allerdings riesig, dass es wieder losgeht und wir das Privileg haben, unseren Beruf ausüben zu können. Aber natürlich ist uns bewusst, dass wir vor einer echten Herausforderung stehen, die wir aber gerne annehmen. Wir wollen uns von den Abstiegsrängen wegbewegen und den Klassenverbleib schaffen.

DFB.de: Wie wollen Sie das schaffen?

Häuptle: Wir haben in der Winterpause einige Korrekturen am Kader vorgenommen, die aus meiner Sicht sehr wichtig sind. Wir haben mit Adrienne Jordan, Molli Plasmann, Phoenetia Browne und Summer Green Spielerinnen verpflichtet, von denen ich absolut überzeugt bin und die in unseren finanziellen Rahmen passen. Die haben richtig Bock auf Abstiegskampf. Unsere Zugänge machen vom ersten Tag an auch menschlich einen super Eindruck und heben die Qualität in unserem Kader.

DFB.de: Reicht das?

Häuptle: Wir haben viele weitere Aspekte optimiert. Zum Beispiel haben wir einen Kraft- und einen Cardioraum eingerichtet, so dass wir nun viel professioneller auch im athletischen Bereich arbeiten können. Nach und nach fügen sich die Puzzleteile zusammen und das Gesamtbild wird immer besser. Beispielsweise haben wir auch einen Physiotherapeuten fest angestellt, einen zusätzlichen Assistenztrainer mit Schwerpunkt Spielanalyse wird auch noch dazustoßen. Es tut sich was bei uns. Wir machen keine großen Sprünge, weil uns dazu die Mittel fehlen. Aber wir gehen auf jeden Fall in die richtige Richtung. Die Summe dieser Dinge stimmt mich zuversichtlich, dass wir das auch in Leistung ummünzen können.

DFB.de: Den Optimismus, den Sie vor der Saison ausgestrahlt hatten, haben Sie trotz einer enttäuschenden ersten Saisonhälfte nicht verloren.

Häuptle: Überhaupt nicht. Ich bin begeistert von den Menschen, mit denen ich hier Tag für Tag zusammenarbeiten darf. Mir ist ein vernünftiger Umgang untereinander einfach extrem wichtig. Und diese Werte werden hier gelebt. Das ist für mich die Basis, das Fundament. Alles andere können wir nach und nach entwickeln. Es ist klar, dass wir hier nicht die besten Spielerinnen in Deutschland verpflichten können. Die gehen dorthin, wo eine andere Zahl auf der Lohnkarte steht, als es bei uns der Fall ist. Das muss man so ehrlich sagen. Aber wir haben hier entwicklungsbereite Spielerinnen mit viel Potenzial und ebensolche Mitarbeiter. Das ist auch viel Wert. Wenn das Team und das Umfeld stimmen, macht es Spaß. Das ist mir viel wichtiger, als irgendwo eine goldene Nase zu verdienen, aber mit den Rahmenbedingungen unglücklich zu sein.

DFB.de: Bleibt im Moment überhaupt Zeit, um mal kurz durchzuatmen?

Häuptle: Selten. Hier geht mir die Arbeit nie aus. Wir haben jetzt kurz nach 20 Uhr und telefonieren gerade für ein Interview. Im Anschluss habe ich noch neun weitere Telefonate zu führen. Und morgen früh um acht Uhr geht es weiter. Aber nicht nur ich, sondern wir alle geben zusammen im Verein alles, um den Klassenverbleib zu schaffen.

DFB.de: Wie viele Punkte sind dafür Ihrer Meinung nach nötig?

Häuptle: Unser Ziel vor der Saison war es, im Schnitt einen Punkt pro Spiel zu holen. Das haben wir bisher leider deutlich verfehlt. Wir haben sechs Zähler nach zwölf Begegnungen. Aber wir halten an unserem Plan fest. Zehn Partien stehen noch auf dem Programm. Wenn wir da zehn Punkte holen, werden wir es am Ende mit 16 Zählern schaffen. Da bin ich mir ziemlich sicher. Wichtig ist, dass wir die Duelle gegen die direkten Konkurrenten gewinnen.

DFB.de: Reichen die bisherigen Leistungen dafür?

Häuptle: Wir erstellen immer ein Diagramm, in dem wir unsere Punktausbeute in den Vergleich zu unseren Leistungen stellen. Mitte der Hinrunde hatten wir einige Probleme. Wir haben erst gegen Duisburg und Frankfurt gewonnen, aber danach leider in Bremen eine sehr schwache Leistung gezeigt und 0:1 verloren. Da waren wir nicht präsent auf dem Platz, diese Punkte fehlen uns. Kurz vor Weihnachten hatten wir dann wieder gute Auftritte. Sowohl gegen Leverkusen als auch gegen Meppen waren wir meiner Meinung nach klar die bessere Mannschaft und hätten auch – rein statistisch gesehen – gewinnen müssen. Aber wir haben beide Spiele nun einmal verloren. Da sind die Punkte begraben, die uns heute fehlen. Nach solchen Spielen schlafe ich schlecht, das können Sie mir glauben. Aber dann trinke ich am Abend ein Glas Rotwein und dann geht es am nächsten Tag weiter. Wir haben die Vorrunde eingehend analysiert und unsere Schlüsse gezogen. Somit schauen wir jetzt nicht mehr zurück, sondern nach vorne und arbeiten an der Entwicklung unserer KPIs.

DFB.de: Sie starten in Essen, danach geht es nach Freiburg, im Anschluss kommt Duisburg. Spätestens da geht es um sehr viel.

Häuptle: Ja, definitiv. Wir wissen, was wir in den kommenden Wochen zu tun haben. Wir müssen punkten. In allen zehn Spielen ist das möglich. Es gibt keine Ausreden mehr.

DFB.de: Gab es während Ihres ersten halben Jahres in Sand mal den Punkt, an dem Sie gemerkt haben, wie groß die Herausforderung wirklich ist, der Sie sich stellen?

Häuptle: Ja, jeden Tag. Ich drücke auf alle Knöpfe, um die Dinge zu optimieren. Ich habe einen hohen Entwicklungsanspruch an mich selbst und auch an mein Umfeld. Der Erfolg kommt nicht zufällig, vor allem wenn man mit dem kleinsten Budget der Liga agiert. Er kommt nur, wenn man hart und zielgerichtet arbeitet und alles dem Erfolg unterwirft. Ich ackere zwölf bis 14 Stunden täglich, um unsere Ziele zu erreichen. Mir sind aber auch das Empowerment und die Ressourcenaufstockung meines Staffs wichtig, denn ich kann das Schiff nicht alleine segeln. Wir verteilen die Aufgaben sukzessive auf mehreren Schultern und liefern den Spielerinnen somit die nötigen Tools und Bausteine. Anders geht es nicht. Unser Team wächst zusammen – auf und neben dem Platz. Das zu sehen, gibt mir unglaublich viel Kraft. Ich glaube fest daran, dass wir es gemeinsam hinbekommen.

(© DFB.de / 05.02.2021)