“DIESE SCHWEIZERIN ÜBERSTRAHLT IN GHANA ALLE MÄNNER”

Nora Häuptle hat das ghanaische Frauennationalteam zum ersten Mal seit Jahren zurück an den Africa Cup geführt – der Hype um die «Black Queens» überstrahlt selbst die Männer.

Nora Häuptle arbeitet derzeit äusserst erfolgreich in Ghana.
Nora Häuptle arbeitet derzeit äusserst erfolgreich in Ghana (© GFA Communications)

Darum gehts

  • Die Schweizer Trainerin Nora Häuptle hat das ghanaische Frauennationalteam erfolgreich zum Afrika-Cup geführt und landesweit Begeisterung entfacht.
  • In Ghana überstrahlen die Frauen aktuell die Männer, deren Nationalteam zuletzt enttäuschte.
  • Trotz Herausforderungen bleibt Häuptle fokussiert und will mit Ghana weitere Erfolge feiern.

«Ich habe letztes Jahr über eine viertel Million Flugmeilen gemacht. Ich kenne praktisch jeden Flughafen auf dieser Welt.» 20 Minuten erreicht die ehemalige Schweizer Nati-Spielerin Nora Häuptle, als sie gerade wieder in ihrer Heimat Bern ist, wo sie mit ihrer Familie lebt. Eigentlich eine Seltenheit.

Einen Grossteil im Jahr reist sie herum oder ist in Westafrika. Die 41-Jährige ist seit bald zwei Jahren Trainerin des Frauen-Nationalteams von Ghana. Ihre Bilanz: top. Die Black Queens, wie das ghanaische Frauennationalteam genannt wird, gewann zehn von 14 Spielen. Und nicht nur das.

Die Spielerinnen hören Nora Häuptle aufmerksam zu.
Die Spielerinnen hören Nora Häuptle aufmerksam zu (© GFA Communications)

Der Hype um ihr Team ist riesig

Unter der Thurgauerin haben sich die Westafrikanerinnen zum ersten Mal seit sechs Jahren für den Afri­ka-Cup qualifiziert. Obwohl sie im Februar die Olympiateilnahme knapp verpassten, überstrahlen in Ghana die Frauen derzeit sogar die Männer. Diese schieden beim Afrika-Cup Anfang Jahr in der Elfen­beinküste blamabel nach der Vorrunde aus.

Häuptle sagt gegenüber 20 Minuten: «Ich denke viele Menschen identifizieren sich mit uns, weil wir normal und nahbar sind. Wir stehen ein für eine klare Wertehaltung und leben diese auch konsequent auf dem Platz.» Der Hype um das Team, er ist riesig. Zu den Pressekonferenzen der Ghana-Fussballerinnen kommen über 100 Medienschaffende.

Als Häuptle mit ihrem Team die Afrika-Cup-Quali schaffte, wurden sie in der Hauptstadt Accra von mehreren Tausend Fans empfangen. Sie selber wird praktisch immer auf der Strasse von allen erkannt. Wobei: «Natürlich habe ich auch einen hohen Wiedererkennungswert durch meine äussere Erscheinung.» Häuptle schmunzelt.

«Es waren wirklich crazy Szenen, die ich noch nie in meinem Leben erlebt habe», sagt sie. Häuptle schwärmt von der Fussballbegeisterung, die in Ghana herrsche. Es sei wie eine Religion. Die Schweizerin geniesst die Aufmerksamkeit und den Erfolg. Sie weiss aber auch: Die Begeisterung kann schnell ins Gegenteil umschwenken: «Als das Ghana-Männerteam zuletzt verlor, ging das Volk protestieren.»

Wo liegt die Zukunft von Nora Häuptle?

Nach einer Trainerstation in der 1. Bundesliga, beim SFV und als Nationaltrainerin von Israel hat sie in Westafrika ihr Glück gefunden. Die Verbandsbosse lassen ihr freie Hand. «Ich habe mir in den Vertrag schreiben lassen, dass sich niemand ins Sportliche einmischt», sagt Häuptle. Einfach ist dennoch nicht immer alles. «Klar, herrscht manchmal Chaos, aber die Entwicklungsbereitschaft ist extrem hoch.»

Das Nationalteam trainiert morgens nur zwischen sechs und zehn Uhr, weil der Kunstrasen danach zu heiss wird. Zwischen 16 und 18 Uhr sind nochmals Einheiten möglich. Später nicht mehr, weil die Stromkosten für die Flutlichtanlagen zu teuer sind. Mittlerweile ist das Team aber immer in Hotels untergebracht. Nicht selbstverständlich, denn die Finanzierung der Nationalteam-Trips ist nicht einfach.

Was hältst du von Nora Häuptles Erfolg mit dem ghanaischen Frauennationalteam?Ich finde es beeindruckend, wie sie das Team vorangebracht hat.Es ist toll, dass Frauenfussball in Ghana so viel Aufmerksamkeit bekommt.Ich bin gespannt, wie sich das Team in Zukunft entwickelt.Ich habe keine Meinung dazu.

Die Arbeit der studierten Sportwissenschaftlerin findet in Ghana riesige Beachtung. Gibt es bald den Wechsel zurück nach Europa? Häuptle bestätigt, dass sie immer wieder «spannende Anfragen» erhalte. Derzeit konzentriere sie sich aber vollständig auf Ghana. Mit den Westafrikanerinnen will sie beim Afrika-Cup brillieren und danach die WM-Quali rocken.

Häuptle betont, dass sie Vertrauen brauche und die Bereitschaft, alles dem Erfolg unterzuordnen. Die Liebe zu ihrem Team ist spürbar. Immer wieder lobt sie ihre Spielerinnen: «Ich wurde so herzlich empfangen. Der Groove begeistert mich. Ich meine, es wurden zuletzt so viele Nationaltrainer und -trainerinnen vom Team entlassen. Eine solche positive Atmosphäre zusammen zu leben ist nicht selbstverständlich», so Häuptle.

«Zum Glück habe ich keine Flugangst»

Die 41-Jährige ist eine Perfektionistin. «Grundsätzlich bin ich aber auch niemand, der irgendetwas ausschliesst», sagt sie, «auch einen Job im Männerfussball nicht.» Apropos Männerfussball: Im Frühling hiess es, dass sie eine Kandidatin für den Job als Coach der Black Stars sei. Von 20 Minuten darauf angesprochen, lacht Häuptle und sagt: «In den Medien wird viel geschrieben.»

(© GFA Communications)

Gegen Ende Jahr geht es für Häuptle wieder nach Ghana. Vor dem Afrika-Cup nächsten Sommer, der während der Heim-EM stattfindet, wartet auf sie noch viel Arbeit. Häuptle ist nicht nur Trainerin des A-Teams. Sie arbeitet an einer langfristigen Strategie – für junge Spielerinnen, aber auch für künftige Trainerinnen.

Glücklicherweise hat Häuptle kein Problem mit dem Fliegen. Und so werden wohl noch mehrere Hunderttausend Flugmeilen hinzukommen. Sie sagt: «Zum Glück habe ich keine Flugangst.»

©20min.ch / Nils Hänggi / 22.11.2024